Weltklimakonferenz

Herr Angres und die COP - ein Kommentar

Screen­shot ZDFZDF Zwei­tes Deut­sches Fern­se­hen “heu­te” 12. Novem­ber 2021

Bei einer Fern­seh-Zuschaue­rin, die sich über die Welt­kli­ma­kon­fe­renz in Glas­gow aus­schließ­lich über die ZDF „heute“-Nachrichten um 19 Uhr infor­miert hat, stellt sich am Ende der zwei­wö­chi­gen Ver­hand­lun­gen wahr­schein­lich ein ange­nehm woh­li­ges Gefühl ein: Die gro­ßen Län­der strei­ten und eini­gen sich, Län­der wie Bra­si­li­en und Indi­en sind ein Pro­blem, aber es geht vor­an – nicht zuletzt durch Deutsch­land! Deutschland?

Will­kom­men in Vol­ker Angres‘ Welt. Angres, Lei­ter der ZDF-Umwelt­re­dak­ti­on, war für den Sen­der vor Ort, die meis­ten Bei­trä­ge für die „heute“-Nachrichten stamm­ten von ihm und in jeder Live­schal­te aus Glas­gow hör­te man sei­ne Ein­schät­zun­gen. Wäh­rend der zwei Wochen COPCOP Con­fe­rence of the Par­ties. Damit ist die jähr­lich statt­fin­den­de Ver­trags­staa­ten­kon­fe­renz der UN-Kli­ma­rah­men­kon­ven­ti­on gemeint.-Bericht­erstat­tung ist eini­ges irri­tie­rend von dem, was Herr Angres sagt – eben­so irri­tie­rend wie eini­ges, das er ein­fach ignoriert.

Klima-Vorreiter Deutschland

Vol­ker Angres arbei­tet seit mehr als 20 Jah­ren für das ZDF und hat­te sich in der Ver­gan­gen­heit in Sachen Falsch­in­for­ma­ti­on bereits zum The­ma Infra­schall und Wind­ener­gie­an­la­gen ver­dient gemacht. Zuletzt lös­te er eini­ge Pro­gramm­be­schwer­den (unter ande­rem von KLIMA° vor acht) aus, nach­dem er behaup­tet hat­te, der Bau neu­er moder­ner deut­scher Koh­le­kraft­wer­ke in Afri­ka oder Indi­en wür­de den Kli­ma­schutz vor­an­brin­gen – das hät­te der aktu­el­le IPCCIPCC Der Inter­go­vern­men­tal Panel on Cli­ma­te Chan­ge (IPCC) - oft als “Welt­kli­ma­rat” bezeich­net - ist eine Insti­tu­ti­on der Ver­ein­ten Natio­nen. In sei­nem Auf­trag tra­gen Fach­leu­te welt­weit regel­mä­ßig den aktu­el­len Kennt­nis­stand zum Kli­ma­wan­del zusam­men und bewer­ten ihn aus wis­sen­schaft­li­cher Sicht.-Bericht so emp­foh­len. Bei­des ist bekann­ter­ma­ßen Hum­bug. Nun in Glas­gow stürzt er sich dann wie­der auf die Koh­le und Afri­ka, genau­er: Südafrika.

Am 4. Novem­ber stellt Angres die Initia­ti­ve meh­re­rer Län­der - auch Deutsch­land - vor, Süd­afri­ka beim Koh­le­aus­stieg zu unter­stüt­zen. Das Land bezieht einen Groß­teil sei­nes Ener­gie­be­darfs aus Koh­le­kraft, und Initia­ti­ven wie die­se wur­den von vie­len Beob­ach­tern als hilf­reich und not­wen­dig ein­ge­schätzt. Grund genug, dar­über zu berich­ten – irri­tie­rend ist nur, dass es tat­säch­lich für Angres das ein­zi­ge The­ma bei der COP ist, bei dem es um die Rol­le Deutsch­lands geht. Ansons­ten: gäh­nen­de Lee­re. Nichts zu ande­ren Initia­ti­ven, denen sich Deutsch­land mehr­fach ver­spä­tet und/​oder mit Aus­nah­men ange­schlos­sen hat – ein­fach nichts. Kri­tisch über das Ver­hal­ten des Lan­des zu berich­ten, für wel­ches man berich­tet, scheint nicht so das Ding des ZDF-Korrespondenten.

Über­haupt wird in den ZDF „heute“-Nachrichten um 19 Uhr die Rol­le Deutsch­lands auf der Welt­kli­ma­kon­fe­renz kaum the­ma­ti­siert. Und bei Vol­ker Angres spielt Deutsch­land auf der COP immer nur dann eine Rol­le, wenn er das Land als Kli­ma-Vor­rei­ter prä­sen­tie­ren kann. Gegen Ende der Kon­fe­renz hat er dann wie­der Gele­gen­heit, sein Her­zens­the­ma (Koh­le, Afri­ka, Indi­en) auf­zu­grei­fen: Es geht um die For­mu­lie­rung der Abschluss­erklä­rung und die Wei­ge­rung Indi­ens, dar­in einen inter­na­tio­na­len Aus­stieg aus der Koh­le­ver­stro­mung fest­zu­schrei­ben. „Indi­en mag den Koh­le­aus­stieg nicht“, kom­men­tiert Angres in der Live­schal­te und bezieht sich damit auf den vor­he­ri­gen Bei­trag, der zumin­dest kurz andeu­te­te, was die Grün­de dafür sein könn­ten. Aber Deutsch­land, leuch­ten­des Vor­bild in Sachen Koh­le­aus­stieg, ret­tet die Ver­hand­lun­gen – so klingt es zumin­dest bei Angres: „Die deut­sche Dele­ga­ti­on hat da nach­ver­han­delt und hat Indi­en flugs hin­ter den Kulis­sen mal eben in eine Koope­ra­ti­on mit Süd­afri­ka geholt (…), das könn­te die Gemü­ter sehr besänftigen.“

Fahrlässig mit Fakten

Dann folgt ein Faux­pas, den er umge­hend selbst hät­te bemer­ken müs­sen: „Deutsch­land hat heu­te auch ange­kün­digt, 10 Mil­li­ar­den für das soge­nann­te Sant­ia­go-Netz­werk bereit­zu­stel­len, das ist ein Netz­werk, das den ärms­ten Län­dern hilft, mit den Schä­den umzu­ge­hen… Das sind posi­ti­ve Signa­le.” 10 Mil­li­ar­den? Das wäre aber tat­säch­lich mal ein posi­ti­ves Signal für das heil­los unter­fi­nan­zier­te Netz­werk – end­lich über­nimmt ein Indus­trie­land mehr Ver­ant­wor­tung für Loss and Dama­ge der Kli­ma­kri­se! Wer jetzt von Deutsch­land über­rascht ist: Tat­säch­lich sind es 10 Mil­lio­nen Euro. Vol­ker Angres hat sich mal eben um den Fak­tor 1000 vertan.

Es ist die­se gewis­se Fahr­läs­sig­keit im Umgang mit Fak­ten, gepaart mit Rea­li­täts­ver­zer­rung und einer unan­ge­neh­men neo­ko­lo­nia­lis­ti­schen Atti­tü­de, bei der sich die Fra­ge auf­drängt: Wel­che Qua­li­fi­ka­ti­on muss der Lei­ter einer Umwelt­re­dak­ti­on beim ZDF eigent­lich haben? Oder anders­her­um: Wie vie­le Aus­set­zer und obsku­re Mei­nungs­äu­ße­run­gen darf er sich in die­ser Posi­ti­on erlau­ben? Lie­ße man Ähn­li­ches dem Lei­ter der Poli­tik­re­dak­ti­on auch durchgehen?

Das krönende Finale

In einem krö­nen­den Fina­le schafft es Angres, sich noch ein­mal selbst zu über­tref­fen. Er fasst gegen Ende der Kon­fe­renz bilan­zie­rend zusam­men, dass die Län­der das 1,5-Grad-Ziel bestärkt hät­ten und bis Mit­te des Jahr­hun­derts kli­ma­neu­tral sein müs­sen. Dann sagt er: „Das sagen auch gro­ße Kon­zer­ne: BP war hier, BMW war hier, Nest­lé war hier und die wol­len das alle ger­ne machen! (Anm.: eige­ne Her­vor­he­bung gemäß Angres‘ Betonung).

BP war hier? Wie schön! Man woll­te sich ja bei­na­he schon Sor­gen machen um den Ölmul­ti – hät­te ja sein kön­nen, dass das erst­ma­li­ge Spon­so­ring-Ver­bot der Welt­kli­ma­kon­fe­renz durch die fos­si­le Indus­trie irgend­wie zu hart war. War­um BP über­haupt vor Ort war, das scheint Angres nicht zu inter­es­sie­ren. Dabei ist das eine Fra­ge, die man sich als Jour­na­list stel­len, oder – ganz ver­we­gen – sogar kri­tisch beleuch­ten könn­te. Umso mehr, weil nur drei Tage zuvor bekannt gewor­den war, wie vie­le Lobbyist:innen der fos­si­len Indus­trie sich auf der COP tum­mel­ten, näm­lich min­des­tens 503.

Beyond journalism

Statt­des­sen: BP, das Unter­neh­men, das sich nicht mehr „Bri­tish“, son­dern „Bey­ond“ Petro­le­um nennt, das schon seit Jahr­zehn­ten nach­ge­wie­se­ner­ma­ßen um die Aus­wir­kun­gen sei­nes Geschäfts Bescheid weiß, das etli­che ver­hee­ren­de Umwelt­zer­stö­run­gen, etwa die Ölpest im Golf von Mexi­ko, zu ver­ant­wor­ten hat, das sich wegen andau­ern­der Des­in­for­ma­ti­on der Öffent­lich­keit vor dem US-Kon­gress ver­ant­wor­ten muss; das aktu­ell eine gro­ße PR-Kam­pa­gne mit viel hei­ßer „Net zero“-Luft fährt und gleich­zei­tig mun­ter wei­ter Ölfel­der erschließt – die­ses Unter­neh­men will so ger­ne was machen?! (Von der Kli­ma- und Umwelt­bi­lanz von BMW und Nest­lé – zwei all­seits bekann­te grü­ne Unter­neh­men – gar nicht erst zu reden, die Zei­chen­zahl hier ist begrenzt).

Was muss im Kopf eines Repor­ters vor sich gehen, aus­ge­rech­net die­sen Fir­men zu attes­tie­ren, dass sie das Kli­ma schüt­zen wol­len? Dann legt Angres sogar noch nach, indem er behauptet:

„Das schei­tert gera­de noch am Arti­kel 6 des Kli­ma-Abkom­mens.“ Die­se Unter­neh­men wären also prak­tisch alle schon längst kli­ma­neu­tral, wenn da nur die­se Poli­tik nicht wäre! Tat­säch­lich ver­hin­dert Arti­kel 6 kei­nes­wegs, dass Fir­men Kli­ma­schutz­maß­nah­men ergrei­fen. Es geht dar­in um den inter­na­tio­na­len Emis­si­ons­han­del, also - ein­fach gesagt - um Regeln, wie sol­che Maß­nah­men ver­rech­net wer­den dürfen.

Herr Angres und sei­ne Bericht­erstat­tung von der Kli­ma­kon­fe­renz: Für sol­chen Ein­satz bekom­men man­che Leu­te Geld von der Indus­trie. Die nennt man dann aller­dings Lob­by­is­ten und nicht Journalisten.

Man muss es selbst gese­hen haben: Hier ab Minu­te 10:04.

Um es mit den Wor­ten von COP-Prä­si­dent Alok Shar­ma zu sagen:
“For Heaven’s Sake!” 

fri


Die Bei­trä­ge im Medi­en­Check geben die Mei­nung der jewei­li­gen Autorin, bezie­hungs­wei­se des jewei­li­gen Autors wie­der.
Die­se muss nicht der Mei­nung von KLIMA° vor acht entsprechen.