Neben uns haben sich auch ande­re Zuschauer:innen über die Dar­stel­lung der Umfra­ge­er­geb­nis­se zu ener­gie­po­li­ti­schen Maß­nah­men in der Sen­dung tages­the­men vom 4. August 2022 beschwert. Eini­ge davon direkt bei der Redak­ti­on. Von dort gab es auch bereits eine Antwort.

Da wir die­se Ant­wort sei­tens des WDR als nicht zufrie­den­stel­lend erach­ten, ver­öf­fent­li­chen wir hier den (anony­mi­sier­ten) E-Mail-Ver­kehr zwi­schen dem Zuschau­er Hans-Georg B. und einem WDR-Redak­teur, um unse­re Kri­tik dar­an nach­voll­zieh­bar zu machen. Die Ver­öf­fent­li­chung erfolgt mit Zustim­mung des Zuschau­ers. Die ARDARD Arbeits­ge­mein­schaft der öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk­an­stal­ten der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land wur­de 24 Stun­den vor der Ver­öf­fent­li­chung davon in Kennt­nis gesetzt. 

Sehr geehr­te Damen und Her­ren,

In den Tages­the­men am 4.8.2022 berich­te­ten Sie über ihre Befra­gung Deutsch­land­trend und the­ma­ti­sier­ten unter ande­rem das Stim­mungs­bild zur Ener­gie­po­li­tik.
Als mög­li­che Ener­gie­po­li­ti­sche Maß­nah­men wur­den in der Sen­dung auf­ge­führt: Koh­le­kraft­wer­ke, Tem­po­li­mit, Frack­ing. Die län­ge­re Nut­zung von AKWs war schon aus­führ­lich the­ma­ti­siert wor­den.
Was fehl­te, war die Mög­lich­keit Erneu­er­ba­re Ener­gien schnell wei­ter aus­zu­bau­en. Dies, obwohl im Deutsch­land­trend die Zustim­mung für einen schnel­le­rer Aus­bau der Wind­ener­gie abge­fragt wor­den war.
(Am Ran­de sei auch kri­tisch ange­merkt, dass im Deutsch­land­trend die Fra­ge zum Aus­bau der Solar­ener­gie fehl­te: z.B. PV auf (fast) alle öffent­li­chen Gebäu­de, Erleich­te­rung für Mie­ter­strom, Pflicht von PV oder Solar­wär­me bei Neu­bau­ten, …).
Die For­mu­lie­rung zu ener­gie­po­li­ti­scher Maß­nah­me von Frau Hof­mann „die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger [haben] doch ein sehr kla­res Mei­nungs­bild, was sie möch­ten, oder eben nicht.” ist basie­rend auf den Deutsch­land­trend­fo­li­en irre­füh­rend. Die­se For­mu­lie­rung unter­schlägt, dass die höchs­te Zustim­mung für den schnel­le­ren Aus­bau der Wind­ener­gie mit 81% besteht.

Es scha­det dem Ver­trau­en in die Qua­li­tät eines ÖRR, wenn so Infor­ma­tio­nen in einer Sen­dung unter­schla­gen wer­den. Die Behand­lung der Wind­ener­gie wär auch rele­vant gewe­sen, weil sie durch poli­ti­sches Han­deln sehr diver­gent behan­delt wird. Die Grü­nen geben sich sicht­lich Mühe dies zu beschleu­ni­gen. In ver­schie­de­nen Bun­des­län­dern gibt es Abstands­be­schrän­kun­gen für Wind­rä­der zur Wohn­be­bau­ung - z.B. in Bay­ern mit der 10-H-Regel oder in NRW mit einem 1000 Meter Min­dest­ab­stand. In Sach­sen und Thü­rin­gen wur­den sol­che Abstands­re­geln erst kürz­lich ein­ge­führt.
Bei den Anhän­gern aller Par­tei­en gibt es eine Mehr­heit für den Aus­bau der Wind­ener­gie. Dies ging in Ihrer Sen­dung unter.

Wenn ein ÖRR bei solch diver­gen­tem poli­ti­schem Han­deln und ander­seits einer über­wäl­ti­gen­den Mehr­heit in der Bevöl­ke­rung die­sen Punkt ver­schweigt, ent­steht der Ein­druck, als woll­te die Redak­teu­rin Akti­vis­mus gegen Wind­ener­gie betrei­ben. Es soll­te kein Anlass für sol­che Befürch­tun­gen gebo­ten wer­den.
Ich bit­te Sie, in ihrem gesam­ten Infor­ma­ti­ons­an­ge­bot die brei­te Zustim­mung in der Bevöl­ke­rung zur not­wen­di­gen Trans­for­ma­ti­on zu kom­mu­ni­zie­ren. Bei allen The­men mit Bezug zur Kli­ma­kri­se muss die­ser Zusam­men­hang auch benannt werden.

Mit freund­li­chen Grü­ßen

(Unter­schrift)


Die Ant­wort der Redaktion:

(Begrüs­sungs­for­mel)


vie­len Dank für Ihre Nach­richt zum ARD-Deutsch­land­Trend, auf die ich Ihnen als Mit­glied der Redak­ti­on ger­ne ant­wor­ten möchte.

Wel­ches die wich­tigs­te oder popu­lärs­te ener­gie­po­li­ti­sche Maß­nah­me in der Bevöl­ke­rung ist, dar­auf lässt unse­re aktu­el­le Befra­gung kei­ne Ant­wort zu, weil es sich nicht um eine offe­ne Abfra­ge han­delt, son­dern wir nur vier von sehr vie­len dis­ku­tier­ten Maß­nah­men über­haupt zur Bewer­tung stel­len konn­ten. Die ver­stärk­te Ein­fuhr von Öl und Gas aus Katar und Sau­di-Ara­bi­en oder, ja, auch ein schnel­le­rer Aus­bau der Solar­ener­gie waren dies­mal etwa kein The­ma, um nur zwei Bei­spie­le zu nen­nen. Aus Kos­ten­grün­den müs­sen wir uns bei der Anzahl der Fra­gen regel­mä­ßig beschrän­ken.
Rich­tig ist trotz­dem, dass ein schnel­le­rer Aus­bau der Wind­ener­gie von den vier zur Bewer­tung gestell­ten Maß­nah­men die höchs­te Zustim­mung erhal­ten hat. Nun ist es regel­mä­ßig so, dass wir aus der Fül­le von Ergeb­nis­sen aus­wäh­len müs­sen, wel­che wir in einer zeit­lich begrenz­ten Schal­te für die Tages­the­men prä­sen­tie­ren kön­nen und wel­che nicht. So konn­ten wir Zah­len zur Zufrie­den­heit mit den ein­zel­nen Regie­rungs­par­tei­en oder mit aus­ge­wähl­ten Bun­des­po­li­ti­ke­rin­nen und -poli­ti­kern oder zu deut­schen Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne, Sank­ti­ons­maß­nah­men gegen Russ­land sowie der aktu­el­len Coro­na-Poli­tik dies­mal ledig­lich auf tagesschau.de, nicht aber in den Tages­the­men prä­sen­tie­ren. Bei den in den Tages­the­men prä­sen­tier­ten ener­gie­po­li­ti­schen Maß­nah­men haben wir danach aus­ge­wählt, wel­che auch unter den Regie­rungs­par­tei­en aktu­ell beson­ders stark dis­ku­tiert wer­den. Das schien uns bei den The­men Koh­le­kraft­wer­ke, Tem­po­li­mit und Frack­ing-Gas stär­ker der Fall zu sein, wäh­rend es bei der Fra­ge nach einem Aus­bau der Wind­ener­gie zwar einen Streit um den Weg dort­hin, für das Ziel aber einen grund­sätz­li­chen Kon­sens gibt, der sich auch in der hohen Zustim­mung der Befrag­ten wider­spie­gelt.
Die­se hohe Zustim­mung haben wir in der Ver­gan­gen­heit immer wie­der in unse­ren Deutsch­land­Trend- Ana­ly­sen dar­ge­stellt. Vor der Bun­des­tags­wahl haben wir im Juni 2021 gefragt, ob die Wahl­be­rech­tig­ten den Aus­bau der Wind­ener­gie unter­stüt­zen, auch wenn dafür Anla­gen in ihrer Nähe gebaut wer­den: Zwei Drit­tel stimm­ten zu. Im Dezem­ber 2021 haben wir ver­schie­de­ne Vor­ha­ben des Koali­ti­ons­ver­trags der damals neu­en Ampel-Regie­rung abge­fragt - und für den stär­ke­ren Aus­bau der erneu­er­ba­ren Ener­gien 83 Pro­zent Zustim­mung gemes­sen. Und im April 2022 haben wir unter dem Ein­druck des Krie­ges und der ener­gie­po­li­ti­schen Fol­gen schon ein­mal fünf dis­ku­tier­te Maß­nah­men abge­fragt und die Ergeb­nis­se für drei der fünf Maß­nah­men auch in den Tages­the­men prä­sen­tiert. Dar­un­ter ganz oben jene 87 Pro­zent, die sich für einen „schnel­le­ren und stär­ke­ren Aus­bau der erneu­er­ba­ren Ener­gien” aus­spra­chen.
Da wir für die TV-Schal­ten gewis­se zeit­li­che Vor­ga­ben ein­hal­ten müs­sen, ver­wei­sen wir für alle wei­te­ren Zah­len und Ana­ly­sen übri­gens am Ende jeder Schal­te bewusst auf tagesschau.de. Das hat Frie­de­ri­ke Hof­mann auch dies­mal getan. Trotz­dem: Ich kann Ihre Kri­tik im Rück­blick durch­aus nach­voll­zie­hen - und habe Ver­ständ­nis dafür, dass Sie sich eine Dar­stel­lung des Zustim­mungs­werts für die Wind­ener­gie auch im linea­ren Pro­gramm gewünscht hätten.

Noch­mals vie­len Dank für Ihr Feedback!

Mit freund­li­chem Gruß

(Unter­schrift)

Unsere Kritik:

Das Argu­ment, die Län­ge (hier: Kür­ze) des Bei­tra­ges habe eine Erwäh­nung der Umfra­ge­ant­wort mit der höchs­ten Zustim­mung nicht mög­lich gemacht, ist nicht akzep­ta­bel. Die Redak­ti­on gab eine Umfra­ge zum The­ma “ener­gie­po­li­ti­sche Maß­nah­men” in Auf­trag und kon­zen­trier­te sich hier bereits auf nur vier Maß­nah­men. Die Ent­schei­dung, sich im Bei­trag auf die The­men zu kon­zen­trie­ren, die in der Koali­ti­on aktu­ell dis­ku­tiert wer­den, ist zwar nach­voll­zieh­bar. Den Zuschauer:innen aber die “Topp”-Antwort kom­plett vor­zu­ent­hal­ten, ist jour­na­lis­tisch inak­zep­ta­bel. Es hät­te gereicht, die Umfra­ge kom­plett zu zei­gen und in einem Satz zu erklä­ren, war­um man sich auf die Ergeb­nis­se zwei bis vier kon­zen­triert. So aber nahm die Redak­ti­on in Kauf, dass die Zuschau­er nicht kor­rekt über das Umfra­ge­er­geb­nis infor­miert wer­den - ein kla­rer Fall von Des­in­for­ma­ti­on. Dass sich aus­ge­rech­net einer der­art seriö­se Redak­ti­on wie die der tages­the­men eine sol­che Unschär­fe in der Bericht­erstat­tung unter­läuft und die­ses dann im Nach­hin­ein sogar noch ver­sucht zu recht­fer­ti­gen, ist mehr als unver­ständ­lich. Hier darf und muss man als Zuschauer:in und Gebührenzahler:in mehr jour­na­lis­ti­sche Sorg­falt erwarten. 

Es sei noch erwähnt, dass die “fal­sche” Gra­fik der Umfra­ge (auf der die Ergeb­nis­se zum The­ma Wind­kraft uner­wähnt geblie­ben war) auf der Inter­net­sei­te tagesschau.de auch noch Tage nach der Aus­strah­lung des umstrit­te­nen Bei­trags zu sehen war. Erst in Nach­hin­ein hat die Online-Redak­ti­on eine ergän­zen­de Erklä­rung dazu veröffentlicht.