
„Renaissance der Atomkraft“? Falschinformation bei „Wirtschaft vor acht“ – Wir legen Beschwerde ein!

In der Sendung „Wirtschaft vor acht“ vom 28.03.25 wurde eine angebliche „Renaissance der Atomkraft“ als wesentlicher Treiber für den weltweiten Zuwachs an neu installierter Leistung dargestellt. Ein Blick auf die Fakten der internationalen Energieagenturen zeichnet jedoch ein völlig anderes Bild: Während die Solarenergie einen beispiellosen Boom erlebt, stagniert die Atomkraft weltweit. Diese Darstellung ist daher irreführend und verstößt gegen den Programmauftrag. Wir haben deshalb am 2. Mai 2025 eine formelle Programmbeschwerde beim Hessischen Rundfunk eingereicht und fordern eine Richtigstellung.
Programmbeschwerde „Wirtschaft vor acht“ vom 28.03.25
Sehr geehrter Herr Hager,
am 28.03.25 wurde in der Sendung „Wirtschaft vor acht“ ab ca. Minute 2:57 die neu installierte Leistung im Stromsektor 2024 thematisiert. So heißt es von Moderatorin Anja Kohl:
„Weil viel Strom gebraucht wird, wurde weltweit mehr Leistung installiert. Ein Anstieg um rund 30 Prozent. Hauptsächlich erzielt durch einen Boom bei Solaranlagen und bei neuen Kernkraftwerken, die weltweit eine Renaissance erleben.“
Dazu wurde das folgende Schaubild gezeigt:

Sowohl das Schaubild als auch die Aussage der Moderatorin sind falsch und grob irreführend. Tatsächlich lag laut der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (IRENA) der Kapazitätszuwachs erneuerbarer Energien im Jahr 2024 bei 585 Gigawatt (GW)¹. Das ist der größte Ausbau erneuerbarer Energien, der global je stattgefunden hat. So heißt es im Report der IRENA: „Renewables accounted for a record 92 % of global power additions, largely due to significant growth in solar and wind power“².
Dem gegenüber steht die Kernenergie: laut dem World Nuclear Industry Status Report gab es 2024 einen Zuwachs von sieben neuen Reaktoren mit einer Gesamtkapazität von 8,2 GW³. Der Nettozuwachs beträgt allerdings nur 4,3 GW, da im gleichen Zeitraum vier Kraftwerke vom Netz genommen wurden. Insgesamt, so heißt es beim World Nuclear Industry Status Report, sind mit Anfang 2025 411 Reaktoren in Betrieb, und damit zwei weniger als im vorigen Jahr, die Gesamtkapazität sei global gleichgeblieben. Weniger Länder als zuvor würden neue Reaktoren bauen⁴.
Bei diesen Zahlen von einer „Renaissance neuer Atomkraftwerke“ zu sprechen, ist falsch und unsachlich.
Der direkte Vergleich beider Zahlen – 585 GW (für erneuerbare Energien) und 8,2 GW (für Atomkraft) – zeigt deutlich, dass zwar von einem Boom bei Solarenergie gesprochen werden, von einer Renaissance der Kernenergie jedoch keine Rede sein kann.
Mit der Ausstrahlung dieser Fehlinformation hat der Hessische Rundfunk gegen § 3 Abs. 4 HRG verstoßen, der eine wahrheitsgetreue und sachliche Berichterstattung vorschreibt. Wir fordern deshalb den hr auf, aufgrund von § 3 Absatz 9 („Eine unwahre Behauptung ist auf Verlangen einer beteiligten Behörde oder Privatperson zu berichtigen“) zu diesem Sachverhalt umgehend Stellung zu nehmen und im Programm an gleicher Stelle zu korrigieren. Wir bitten um eine gesonderte Antwort zu der von uns vorgebrachten Beschwerde.
Mit freundlichem Gruß
Friederike Mayer, 1. Vorsitzende • Daniel Kulms, Mitglied des Vorstandes
Quellen zur Berichterstattung:
Online-Artikel: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-kommission-bezahlung-umweltverbaende-100.html
Instagram-Post 1: https://www.instagram.com/p/DKl96_xssyq/
Instagram-Post 2: https://www.instagram.com/p/DKmZ6kWoQwr/
Wir haben von Florian Hager, dem Intendanten des Hessischen Rundfunks, eine Antwort erhalten. Diese könnt Ihr hier nachlesen.
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