KLIMA° vor acht hat eine Programmbeschwerde an den ZDFZDF Zweites Deutsches Fernsehen Fernsehrat geschickt.
Es geht dabei um einen Beitrag des ZDF vom 9. August anlässlich des an dem Tag veröffentlichten IPCC-Reports [engl.].
In dem Beitrag empfiehlt Volker Angres, seines Zeichens Leiter der ZDF-Umweltredaktion, den Bau von modernen Kohlekraftwerken, beispielsweise in Indien oder Südafrika. Der Beitrag wurde in mehreren „heute“-Nachrichensendungen ausgestrahlt und ist auch in der ZDF-Mediathek abrufbar.
Unsere Programmbeschwerde im Wortlaut:
Beitrag „Klein-klein-Klimaschutz war gestern“ von Volker Angres vom 9.August zum IPCCIPCC Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) - oft als “Weltklimarat” bezeichnet - ist eine Institution der Vereinten Nationen. In seinem Auftrag tragen Fachleute weltweit regelmäßig den aktuellen Kenntnisstand zum Klimawandel zusammen und bewerten ihn aus wissenschaftlicher Sicht. Report
gesendet in mehreren „heute“ Nachrichensendungen und veröffentlicht in der ZDF-Mediathek
Quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/heute-sendungen/weltklimarat-umwelt-erderwaermung-video-100.html
Sehr geehrte Mitglieder des ZDF Fernsehrates, sehr geehrter Herr Dr. Bellut,
mit Entsetzen und Unverständnis mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass Herr Volker Angres, der Leiter Ihrer Umweltredaktion, sich für die Errichtung von neuen Kohlekraftwerken ausspricht und es überdies so darstellt, als würde der IPCC Report dies fordern.
An Zeitmarke 0:00:10 sagt Herr Angres wörtlich:
„Ja, der Bericht ist tatsächlich eine Steilvorlage für die Weltklimakonferenz und er sagt auch, dass jetzt wirklich groß gedacht werden muss. Klein-Klein-Klimaschutz, das war gestern. Die großen Räder müssen gedreht werden. Also zum Beispiel, so komisch das auch klingen mag, modernste Kohlekraftwerke zum Beispiel nach Indien oder nach Südafrika liefern, um dort die Alten abzuschalten. Die Wirkungsgrade der Modernen sind besser. Das ist angewandter Klimaschutz auf im Moment dann noch fossiler Ebene.“
Er verdreht und entstellt damit nicht nur den Inhalt des IPCC Reports vom 9. August 2021, sondern macht wider besseres Wissen Lobbyarbeit für die Hersteller von Kohlekraftwerken, indem er für Länder wie Indien Kohlekraftwerke neuer Bauart als Brückentechnologie darstellt.
Kohlekraftwerke, auch deutsche, sind keine Brückentechnologie, die es erlauben würde, die Paris-Ziele zu erreichen oder erfolgreich die globale Erwärmung zu bekämpfen!
Vielmehr ist richtig, dass Kohlekraftwerke, egal ob neu oder alt, große Mengen CO2 emittieren, erheblich zur Erderhitzung beitragen und der IPCC keinen Neubau von Kohlekraftwerken empfiehlt, sondern deren schnellstmögliches Ende.
An dieser Stelle möchten wir noch auf die Behauptungen von Herrn Dr. Bellut in seiner Antwort an die Beschwerdeführer zu dieser Sache vom 2. September 2021 eingehen. Zitat Dr. Bellut:
„Herr Angres rechnet eine derartige Maßnahme [Anm. d. Autors: Bau deutscher Kohlekraftwerke in Indien/Südafrika] zu den effektivsten Möglichkeiten, dem Klimawandel zu begegnen beziehungsweise Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Genau das fordert auch der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), so wie es im Interview zur Sprache kam.“
Auch hier stellen wir wieder fest, dass dem IPCC von Herrn Dr. Bellut unterstellt wird, das Gremium halte den Austausch von „alten“ gegen „neue“, effizientere Kohlekraftwerke zum aktuellen Zeitpunkt für eine der „effektivsten Möglichkeiten“. Das ist unserer Erkenntnis nach unwahr. Wir bitten deshalb um Belege für diese Behauptung.
Zum IPCC-Report sagte UNUN United Nations. Vereinte Nationen.-Generalsekretär Antonio Guterres noch am selben Tag, 9.August 2021:
[…] This report must sound a death knell for coal and fossil fuels, before they destroy our planet. There must be no new coal plants built after 2021. OECD [Organisation for Economic Co-operation and Development] countries must phase out existing coal by 2030, with all others following suit by 2040. Countries should also end all new fossil fuel exploration and production, and shift fossil-fuel subsidies into renewable energy. […]
https://www.un.org/press/en/2021/sgsm20847.doc.htm
Besonders alarmierend ist auch die folgende Aussage aus dem Schreiben von Herrn Dr. Bellut. Zitat Dr. Bellut:
„Daher müssen in einem Beitrag auch Maßnahmen diskutiert werden dürfen, die zwar als ‚unangenehme‘ Zwischenlösungen auf dem Weg zur Klimaneutralität angesehen werden können, aber vergleichsweise schnell CO2-Reduktionen ermöglichen.“
Selbstverständlich dürfen Maßnahmen zur CO2-Reduktion diskutiert werden, auch wenn in dem ZDF-Beitrag gar keine Diskussion stattfand. Die Behauptung von Herrn Dr. Bellut in seinem Schreiben, dies würde vergleichsweise schnell CO2 Reduktionen ermöglichen, ist ebenso waghalsig und durch nichts belegt, wie die Aussage von Hr. Angres im angegriffenen Beitrag. Man stellt sich die Frage: Woher bezieht das ZDF seine Fakten?
Vielmehr führt der Ersatz von alten gegen neue Kohlekraftwerke zu mehr CO2-Emissionen und so genannten „stranded assets“ und damit zu vergeudeten Mitteln und verlorener Zeit bei der Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen, wie den Ausbau von erneuerbaren Energien in Indien und Südafrika.
Herr Dr. Bellut präsentiert hier eine weitere, nicht belegte These, um zu kaschieren, dass der Interview-Beitrag von Hr. Angres nicht der Wahrheit entsprach. Effiziente Kohlekraftwerke nach Indien zu exportieren, ist auch keine „unangenehme Zwischenlösung“, zur Einhaltung der Paris-Verträge.
Das ZDF und Herr Angres verstoßen damit in besonderer Weise gegen den journalistischen Grundsatz einer wahrhaftigen, belegten und objektiven Darstellung, wie sie §3 der ZDF Satzung fordert, als auch gegen Ihre Aufgabe die „Achtung vor Natur und Umwelt“, hier dem Klima, in angemessener Form zu stärken.
Wir fordern das ZDF deshalb auf, diese Äußerungen umgehend durch den Intendanten öffentlich zu korrigieren und bitten um eine gesonderte Antwort zu der von uns vorgebrachten Beschwerde.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Mario Hüttenhofer
Friederike Mayer
Michael Flammer
Vorstand von KLIMA° vor acht e.V
Du möchtest unsere wichtige Arbeit unterstützen?
Das geht am besten durch eine Spende! Mit Deiner Unterstützung können wir weitere Projekte finanzieren. Spenden sorgen für mehr Reichweite, mehr Sichtbarkeit von KLIMA° vor acht in der Öffentlichkeit. Auch die öffentlich-rechtlichen Sender werden davon wieder Notiz nehmen. Das befördert unser Anliegen: die Klimaberichterstattung im deutschsprachigen Fernsehen zu verbessern.
Hier gelangst Du zu unserer Spendenseite.